Mit Drang zum Sturm – Der Musiker präsentiert mit “Schiffsverkehr” sein 13. Studioalbum
Er setzte 1984 mit seinem ersten Megahit “4630 Bochum” der Stadt im Ruhrgebiet ein Denkmal und sang bissig über “Männer” und “Alkohol”. Später erzählte er schonungslos ehrlich von den Wunden, die der frühe Krebstod seiner Frau Anna ihm zufügte. Herbert Grönemeyer ist so etwas wie die Stimme Deutschlands. Ein zuverlässiger Chart-Stürmer, aber auch einer, der kreativ bleibt, Künstler und Popstar gleichermaßen ist.
Man muss genau hinhören, um “Schiffsverkehr”, das 13. Studioalbum des mittlerweile 54-Jährigen, zu begreifen. Die Geschichten sind tiefgründig. Doch immer noch “ist das Texten ein einziger Kampf”, gesteht der gebürtige Göttinger in einem Interview. Die Segel streicht er deshalb noch lange nicht.
Roter Faden
Sieht man vom letzten Lied ab, ist “Schiffsverkehr” eine recht ernste Platte. Und eine, die auf Gitarren setzt. “Sie hat Druck. Ich wollte eine Platte aufnehmen, wie in den 80er-Jahren.” In seinen Texten ist Aufbruch zu verspüren, “Sturm und Drang” eben. Die Lieder handeln von der Liebe, von Kommandobrücken und Sirenengesängen und nehmen jenen Faden auf, der sich quer durch die Laufbahn des Künstlers zieht — immerhin begann seine Karriere mit dem Film “Das Boot”.
All das hat eine Menge mit seiner Kindheit zu tun. “Das Meer hatte für mich immer eine Form der Freiheit”, sagt er und erinnert sich an seine Jugend — etwa an jene Jahre, in der die Familie jeden Sommer die Ferien am Nordseestrand verbrachte.
Auch heute sitzt er noch gerne am Hafen und schaut den Schiffen zu — zuletzt in Stockholm, wo auch der Albumtitel “Schiffsverkehr” entstand. Auch in seiner neuen Heimat Berlin hat Grönemeyer an der Platte gefeilt und befand sich in den dortigen Hansa Studios in bester Gesellschaft. Zeitgleich spielten dort R.E.M. ihr kürzlich erschienenes “Collapse into now” ein.
Freiheit
Mit R.E.M.-Frontmann Michael Stipe teilt Grönemeyer die Leidenschaft, über Dinge zu singen, die die Grenzen des immer gleichen Radiopops hinter sich lassen. So ist zum Beispiel die Alzheimererkrankung seiner Mutter ein Thema. “Gespräche mit ihr sind schwierig geworden. Sie vergisst oft innerhalb weniger Sekunden, worüber wir gerade eben noch sprachen.”
“Schiffsverkehr” ist wie viele seiner Vorgänger das Resultat eines intensiven kreativen Prozesses. Die letztjährigen Arbeiten zur Filmmusik von “The American”, dem Hollywoodfilm seines Freundes Anton Corbijn mit George Clooney in der Hauptrolle, waren dabei so etwas wie die Aufwärmphase zur Albumproduktion.
Sein nächstes Projekt ist die im Frühsommer startende Konzertreise. Seinen letzten Auftritt plane er übrigens im Jahr 2045 in der Kurmuschel am Strand von Travemünde — natürlich das rauschende Meer im Rücken. “Ich hatte schon immer eine Affinität zum Wasser. Meer ist für mich wild und ungestüm. Das passt zu meinem Wesen.