Sie hat zwei Grimme-Preise im Schrank und die Kritiker auf ihrer Seite unglaublich, dass Bernadette Heerwagen noch nicht in aller Munde ist. Dabei muss man die Mimin und ihren neuen Film München ’72 einfach kennen
Bei Bernadette Heerwagen geraten die Kritiker ins Schwärmen, und die Zuschauer beginnen, im Gedächtnis zu kramen: “Das ist doch … i?” Über dieses Phänomen und die Hintergründe zu “München ’72” unterhielten wir uns mit der Schauspielerin, die in Dror Zahavis Film über das blutige Attentat bei der Olympiade einen bemerkenswerten Auftritt hat.
Frau Heerwagen, eine große deutsche Zeitung hat Ihnen das Etikett “die unbekannteste Großartigkeit des deutschen Films” verpasst. Nervt Sie das?
(lacht) Das hat alles seine Vor-und Nachteile. Ich kann einerseits unbehelligt einkaufen gehen. Andererseits freue ich mich natürlich, dass ich als “Großartigkeit” dargestellt werde.
Zu Ihrer Karrierestrategie gehört es, “ganz viel abzusagen”. Ziemlich mutig.
Ich versuche, nur das zu machen, was mein Herz anspricht und was mich herausfordert. Aber klar: Manchmal macht man auch Sachen, um die Miete zu bezahlen.
Entdeckt wurden Sie von Erfolgsregisseur Miguel Alexandre, der damals selbst noch Filmstudent war.
Miguel hat sich damals beim “filmenden Klassenzimmer” bei den Bavaria Filmstudios Geld dazuverdient. Ich war mit meiner Klasse dort und habe mitgespielt. Dabei scheine ich so überzeugt zu haben, dass mich Miguel zwei Jahre später anrief und fragte, ob ich in seinem Abschlussfilm mitspielen wolle.
Reden wir über “München ’72”. Als das Attentat geschah, waren Sie noch nicht geboren. War dieses Thema also Neuland für Sie?
Nein, ich hatte schon vorher viele Dokus über das Thema gesehen. Nicht bekannt war mir, dass es tatsächlich eine Frau gab, die sozusagen das Bindeglied zwischen den Terroristen und der Delegation aus Polizei und Politikern war.
Sie spielen diese Frau, über die es unerklärlicherweise tatsächlich kaum Informationen gibt …
Ich nehme an, dass Genscher und die anderen einfach interessanter für die Medien waren als eine Frau, die direkt vor Ort war. In der heutigen Zeit kaum vorstellbar.
Was haben Sie über Anneliese Graes, die im Film Anna Gerbers heißt, herausgefunden?
Ich habe eine ältere Dokumentation entdeckt. Mit Bildern, wie sie da in der Conolly-Straße am Haus stand, rauchend, mit ihrem riesigen Funkgerät. Ich habe versucht, über die Körperlichkeit an ihre Persönlichkeit heranzukommen.
Das Wort “Terrorangst” war ’72 noch gar nicht erfunden, die Polizei schien völlig überfordert mit der Situation. War man damals naiv?
Naiv, ja. Im positivsten Sinne. Man wollte fröhliche Spiele haben und ein Deutschland zeigen, das nach dem Zweiten Weltkrieg friedlich ist. Das Olympia ohne Waffen ausrichten will und wird. Das Attentat 1972 war die Stunde null des Terrorismus in Deutschland. Wenn man heute auf den 11. September blickt, würde man auch sagen, dass einige Dinge naiv waren.
Heute, 40 Jahre nach dem Attentat, schwelt der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern immer noch. Hat die Welt nichts dazugelernt?
Das Wichtige ist – und das will auch der Film sagen – die Hoffnung nicht aufzugeben, dass es irgendwann eine Lösung geben wird. Es gibt ein starkes Bild im Film, wie Spitzer und der Anführer der Terroristen im Hubschrauber nach Fürstenfeldbruck fliegen. Und wie sich sich ansehen! Man hat das Gefühl, dass sie sich einig sind über die Sinnlosigkeit des Mordens. Das ist für mich die symbolische Aussage des Films.