Julia Koschitz ist ein Fan der Vorbereitung und beweist immer wieder Gespür für die Darstellung großer Gefühle, so auch in der Tragikomödie „Hin und weg” über selbstbestimmtes Sterben. Im Interview erklärt sie ihr Geheimnis.
Julia Koschitz hat schon oft in Filmen über Frauen in Grenzsituationen überzeugt, etwa in „Pass gut auf ihn auf!” oder „Der letzte schöne Tag: Im Interview verrät sie, wie sie die intensiven Emotionen ihrer Rollenfiguren verkörpert – und verarbeitet.
Merken Sie, dass unterschiedliche Dreharbeiten Sie im Nachhinein auch unterschiedlich beschäftigen?
Das funktioniert bei mir wie mit Urlaub machen. Sobald ich eine Reise antrete, kann ich gut abschalten. Ähnlich gut kann ich einen Film nach den Dreharbeiten ablegen. Es sind die Monate davor und natürlich die Dreharbeiten selbst, in denen mich das jeweilige Thema nicht loslässt.
Weil Sie sich gut vorbereiten?
Ja, ich bin ein Fan der guten Vorbereitung. Das macht mir einfach großen Spaß. Ich beschäftige mich gerne mit meiner Rolle, analysiere sie gerne und lese ein Drehbuch dabei 20-mal oder noch öfter. Ich habe die Erfahrung gemacht, je besser man vorbereitet ist, umso freier ist man beim Spielen. Für mich ist die
wahre Kunst – und die zu erreichen, ist mein Traum –, nicht zu spielen, sondern zu sein. Da darf man nicht mehr daran denken, wie sich die Figur bewegt, wie sie spricht, wie ihre Mimik und ihre Handgriffe sind.
Gibt es ein Prinzip, nach dem Sie Text lernen?
Nein, immer nur lesen und lesen. Die Sache mit dem Textlernen war für mich noch nie ein Problem. Je mehr man weiß, warum man was sagen will, umso unproblematischer wird Text. Ich muss mich mit den Motivationen auseinandersetzen, und die erkenne ich nicht durch die Worte, die ich spreche, sondern durch die Analyse der Situation, der Person im ganzen Kontext, auch zu ihren Bezugspersonen. Das ist ganz simpel.
Was können Sie über die private Julia Koschitz verraten?
Julia Koschitz fährt nicht Auto. Sie kann’s zwar, aber sie besitzt keines. Ich fahre Fahrrad und das nahezu immer. Das ist etwas, was ich bei Dreharbeiten vermisse, dass ich nicht meine 15 Kilometer am Tag Rad fahren kann. Ansonsten gehe ich drei bis fünf Mal die Woche laufen.
Haben Sie an sich die eine oder andere Stärke erkannt – und wo liegt vielleicht auch eine Schwäche?
Gelassenheit gehört nicht zu meinen Stärken. Das Vertrauen, dass alles gut wird, muss ich mir schon immer wieder erarbeiten. Das ist von außen bestimmt auch manchmal nervig, und man sagt: „Mein Gott, jetzt entspanne dich doch einfach mal. Das wird schon!” Ich bin in meiner Sorge aber schon bei Plan Z.
Und was sind Ihre Stärken?
Ich glaube, ich kann gut zuhören. Wahrscheinlich auch, weil ich mich sehr gerne auf andere Menschen einlasse. Ich finde es spannend, die Perspektive des anderen einzunehmen.
Letzte Reise mit guten Freunden!
2014 kam „Hin und weg” in die Kinos, die mit viel Humor erzählte traurige Geschichte eines Abschieds. Julia Koschitz spielt die Frau von Hannes, der an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS erkrankt ist. Schon sein Vater starb daran, nachdem er über Wochen immer hilfloser geworden war. Das will sich Hannes ersparen: Gemeinsam mit Kiki und Freunden plant er eine letzte Fahrradtour. Das Ziel: Belgien, wo Hannes Sterbehilfe in Anspruch nehmen will. Neben Julia Koschitz und Florian David Fitz als Hannes sind starke Co-Stars wie Jürgen Vogel, Volker Bruch und Miriam Stein dabei. Regie führte Christian Zübert („Lambock , Dreiviertelmond”), Produzent war Oscar-Preisträger und Filmprofessor Florian Gallenberger nach dem ersten Drehbuch seiner Studentin Ariane Schröder. Trotz einiger Klischees ein einnehmender Film, den man nicht trockenen Auges übersteht.
Hin und weg kommt am Donnerstag um 20 Uhr 15 im ZDF.
Auf dem Bild ist Julia Koschitz nackt beim Poppen in „Der Fall des Lemmings” aus dem Jahr 2009 zu sehen.