Im historischen Adventszweiteiler „Gotthard” steht eigentlich der Bau eines gigantischen Tunnels im Mittelpunkt. Aber Miriam Stein drückt diesem Sozialdrama ohne Kitsch ganz nebenbei ihren Stempel auf
Der große Zweiteiler „Gotthard” erzählt die Geschichte einer technischen Meisterleistung. Nein, nicht die des im Sommer fertiggestellten 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnels, sondern die seines Vorgängers. Der alte Gotthardtunnel sollte das Deutsche Reich und Italien miteinander verbinden. Nach elf Jahren Bauzeit wurde er 1882 eröffnet. Die Arbeiter schufteten unter extrem gefährlichen Bedingungen, 1875 kam es zu einem Aufstand.
Die Kehrseite des Fortschritts!
Aus gutem Grund erzählt Drehbuchautor Stefan Dähnert die Geschichte des Tunnelbaus deshalb von „unten”, als Sozialgeschichte, und stellt drei einfache Leute in das Zentrum der Handlung: die Schweizer Fuhrmannstochter Anna (Miriam Stein), den deutschen Ingenieur Max (Maxim Mehmet) und den italienischen Mineur und Arbeiterführer Tommaso (Pasquale Aleardi). Und ganz bewusst stellt der Film auch die Frage nach der Kehrseite des Fortschritts: „Für einen Tunnel von 15 Kilometern Länge starben rund 2.500 Menschen an den Folgen von Seuchen, des Aufstands oder durch Arbeitsunfälle. Alle sechs Meter liegt also ein Mensch, der Träume hatte, eine Familie ernährte und geliebt wurde”, sagt Dähnert. Zwei Historiker haben ihn beim Drehbuch beraten.
Das merkt man auch der dreistündigen Umsetzung an. Regisseur Urs Egger inszenierte glaubwürdig und ging behutsam mit dem sozialen Sprengstoff um. Auch die verhaltene Dreiecksgeschichte zwischen Maria, Tommaso und Max sitzt. Vor allem die 26-jährige Miriam Stein, selbst Halb-Schweizerin, prägt den Film. Mit starkem Spiel und Schwitzerdütsch begeistert sie als selbstständige Frauenfigur, die eine Pension für die Arbeiter eröffnet – im 19. Jahrhundert ebenso mutig wie ungewöhnlich.
Wie der Tunnelbau wurde auch das TV-Großprojekt „Gotthard” als internationale Koproduktion realisiert. SRF, ZDF und ORF setzen so den Opfern des Gotthardtunnels ein sehenswertes filmisches Denkmal. Fazit: authentische Geschichte mit Geschichte.
Der 1. Teil kommt am Montag um 20 Uhr 15, der 2. Teil von Gotthard am Mittwoch ebenfalls um 20 Uhr 15 im ZDF. Im Anschluss kommt am Montag um 21 Uhr 45 noch die Doku „Der Gotthard”.
Miriam Stein hat einen berühmten Schweizer Papa: „ttt”-Moderator Max Moor. Ihren Freund Volker Bruch lernte sie bei Dreharbeiten zum Film „Goethe!” kennen (2010). Gemeinsam spielten sie in „Unsere Mütter, unsere Väter” (2013).
Auf dem Bild ist Miriam Stein Oben Ohne in dem Film “Goethe” zu sehen.