Pirat im Kalten Krieg – 1978 zwang ein Ostberliner Kellner eine LOT-Maschine zur Landung in Westberlin. Mit diesem Westflug forderte er den ganzen Ostblock heraus. Stoff für einen RTL-Film
Es fing mit einem Satz an. Ein Freund erzählte 2006 dem Produzenten Nils Dünker: “Da hat mal einer Ende der 70er mit einer Spielzeugpistole ein Flugzeug über den Eisernen Vorhang dirigiert. Aus Liebe.” Die Geschichte ließ Dünker nicht mehr los. Vier Jahre später ist aus ihr ein Film geworden, den RTL nun, als “Event-Movie”, zeigt. Wer sich auf Melodramatik satt einlässt, wird sein Vergnügen haben an einem gut gemachten, aufwendig ausgestatteten und brillant besetzten Genre-Mix aus Liebesfilm, Politdrama und Thriller, den man sich auch im Kino vorstellen kann.
Authentisches Bild der 70er Ost
Ja, das alles hat sich wirklich so zugetragen. In groben Zügen. Wer die historische Wahrheit will, sollte die Doku nach dem Film ansehen (“Flucht in die Freiheit”, So., 22.30 Uhr, RTL).
1978, Ostberlin: Der westdeutsche Ingenieur Michael (Oliver Mommsen) und die Ostberliner Kellnerin Anja (Sophie von Kessel) lieben sich und wollen in die Bundesrepublik. Die Flucht misslingt, Michael wird verhaftet. Anja und ihr Kollege Jürgen (Glanzvorstellung: Hendrik Duryn) besteigen mit Anjas Tochter einen Flug der polnischen Linie LOT. Nach dem Start in Danzig zwingt Jürgen mit einer Spielzeugpistole vom Flohmarkt die Crew zum Kurswechsel auf den Westberliner Flughafen Tempelhof. Doch dort ist die Landebahn zu kurz …
Thomas Jauch (Regie) und Sylke Rene Mayer/Timo Berndt (Buch) machten aus der spektakulären DDR-Flucht einen sehenswerten Film, der kaum unberührt lässt. Die Darsteller sind durch die Bank ausgezeichnet. In der Vorbereitung hat man damals Beteiligte befragt; der damalige “Entführer” ist in einer kleinen Rolle zu sehen.
Bemerkenswert die Ausstattung, die die 70er-Jahre der DDR authentisch auferstehen lässt, wie der im Osten geborene Hendrik Duryn bestätigt: “Unsere filmische Zeitreise lässt die Farben der Ost-70er detailliert erscheinen.” An die Entführung erinnert er, der damals elf Jahre alt war, sich noch. Und daran, welch witzige Erklärung die findigen Berliner danach für die polnische Fluglinie “LOT” hatten: „Landet och in Tempelhof”